Blog 1
Athleten, Events, Kultur

Die amerikanische Outdoor-Marke Merrell hat mit der Trailrunning-Community über die außergewöhnliche Saison 2021 gesprochen.

München, 14. Oktober 2021 – Seit Juli dreht sich die Welt des Leistungssports wieder. Und sie dreht sich nicht nur, sie scheint richtig Fahrt aufzunehmen. Athleten aus unterschiedlichsten Disziplinen kehren stärker als je zuvor an die Startlinie zurück. Bei den Olympischen Spielen in Tokio wurde in diesem Jahr ein Weltrekord nach dem anderen aufgestellt und bei einigen der größten Trailrunning-Rennen der Welt zahlreiche Streckenrekorde gebrochen, wie zum Beispiel die neue Frauen-Bestzeit beim UTMB von Courtney Dwalter.

Vor den Kulissen sieht das alles ziemlich einfach aus. Aber wie ist es für diejenigen, die hinter den Kulissen stehen? Ist es wirklich so leicht, zum Wettkampfsport zurückzukehren? Die Outdoor-Marke Merrell hat mit einem Mentaltrainer, Athleten und Veranstaltern gesprochen, um herauszufinden, wie der Alltag nach Covid für sie aussieht.

Der Mentaltrainer sagt: „Covid hat uns zwei unterschiedliche Athleten-Typen gebracht“

Eine der am häufigsten gestellten Fragen an Koen Willems, Mentaltrainer und Physiotherapeut für einige der weltbesten Trail-Läufer lautet: „Hatte die Wettkampfpause im Jahr 2020 einen negativen oder einen positiven Einfluss auf die Leistung der Athleten?“ Er sagt: „So einfach ist das nicht,“ und beschreibt wie sich aufgrund der Tatsache, dass es keine Rennen, keine Ziele aber dafür jede Menge Unsicherheiten gab, in dieser Zeit zwei verschiedenen Typen von Athleten entwickelt haben: „Diejenigen, die die Pause als Chance wahrgenommen haben, sich auch auf Dinge zu konzentrieren, für die sie vorher keine Zeit hatten – zum Beispiel Familie, Freizeit und Arbeit. Und diejenigen, die genau das Gegenteil getan haben. Sportler, die noch härter trainierten, um den Ausfall der Rennen zu überkompensieren.“

„Die Athleten, die sich im Jahr 2020 eine Auszeit genommen haben, um das Leben ohne Wettkämpfe zu genießen, sind in der Regel in diesem Jahr mit einer positiveren mentalen Energie in den Wettkampf zurückgekehrt. Sie sind ausgeruhter und das spiegelt sich in ihren Leistungen wider. Die meisten Athleten, die zu viel trainiert haben, weil sie den Druck nicht loslassen konnten, haben Verletzungen erlitten.“

Laut Willems haben seit der Pandemie immer mehr Athleten Mentaltraining für sich entdeckt: „Als die Rennen wieder aufgenommen wurden, wollten die Athleten unbedingt gute Ergebnisse erzielen, um das vergangene Jahr zu kompensieren. Das war oft zu viel, zu schnell und zu früh. Vielen fällt es schwer, sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Sie wollen stattdessen alle Ziele erreichen. Dazu kommen Ängste, die mit dem Reisen zu den Rennen einhergehen. Einige Athleten fürchten das Risiko sich mit dem Virus anzustecken oder machen sich Sorgen, wie sich die Einschränkungen und neuen Regeln bei Veranstaltungen auf ihre Leistung auswirken.“

Willems Rat an die Athleten: „Seid nicht zu hart zu euch selbst. Das letzte Jahr war anstrengend. Akzeptiert das! Konzentriert euch nicht nur auf die Ergebnisse, sondern genießt in erster Linie das Laufen und den Kontakt zu den anderen Sportlern und Teamkollegen. Wir können nicht immer alles kontrollieren, also verliere keine Energie mit Dingen, die du nicht beeinflussen kannst.“

blog 2

Georgia Tindley (links) und Denisa Dragomir (rechts) im direkten Bergauf-Duell beim Skyrace Hochkönigman im September 2021, (C) Merrell / Christian Schartner

Die Athleten sagen: „Wir können unsere Emotionen und Momente nicht so zeigen und
teilen wie früher“

Die Wettkampfsaison 2021 war eine außergewöhnliche und für die Merrell Läuferin Denisa Dragomir eine äußerst erfolgreiche. Die Rumänin hat 2020 eine lange Pause eingelegt. Eine Entscheidung, die sich positiv ausgewirkt hat und mitverantwortlich ist für die vier Siege bei der Skyrunner World Series 2021 sowie ihren nationalen Titel. „Ich brauchte einen Neustart und das war Covid für mich,“ sagt Dragomir. Doch selbst sie, die die Saison 2021 erfolgreich zu meistern scheint, hat mit den neuen Regeln und Vorschriften zu kämpfen: „Ich habe meinen zweiten Impfstoff noch nicht bekommen. Also muss ich jedes Mal einen Test machen, wenn ich zu einem Rennen fahre. Ich musste in Quarantäne gehen und habe Rennen verpasst. All diese Unregelmäßigkeiten belasten der Körper zusätzlich.“

Hector Haines ist Skyrunner, Berg- und Orientierungsläufer. Er lebt in Schweden, kommt aber ursprünglich aus Großbritannien und ist laut einigen Aussagen „fitter denn je“ aus dem Lockdown gekommen. Allerdings konnte Haines 2021 aufgrund der mangelnden Planbarkeit nur halb so viele Rennen bestreiten wie noch 2019: „Viele internationale Skirennen und Berglaufveranstaltungen wurden ständig abgesagt oder verschoben. Deshalb habe ich vermehrt an lokalen Orientierungsläufen teilgenommen.“

Allerdings ist es nicht nur der harte Wettkampf, der den Athleten fehlt. Die befragten Sportler geben an, dass sie vor allem die soziale Komponente der Rennen vermisst haben: „Ich trainiere und laufe gerne mit anderen Läufern, die mich anspornen, die die Leidenschaft teilen und mich verstehen,“ sagt Georgia Tindley, Großbritanniens führende Trailläuferin. Sie ergänzt: „Erst dann schaffe ich es meine beste Leistung zu bringen.“

Haines teilt diesen Gedanken und glaubt, dass obwohl die Rennen wieder im Gange sind, die Motivation nachgelassen hat: „Es fühlt sich so an, als könnten wir unsere Emotionen und auch die Momente nicht zeigen und teilen wie früher. Wir tauchen beim Wettkampf auf, sind sozial distanziert, tragen Masken, usw. – das ist nicht das Gleiche.“

blog 3

Hector Haines im Training im Sommer 2020 (C) Merrell / Guillem Casanova

Die Organisatoren sagen: „Wir haben gelernt spontaner und flexibler zu sein“

Aus Sicht der Trailrunning-Marken und Sponsoren war vor allem die geringe Präsenz durch die wenigen bis gar keinen internationalen Veranstaltungen verheerend. Franziska Freer, Marketing- und Athletenmanagerin bei Merrell in Europa erklärt: „Letztendlich mussten wir einfach kreativ sein.“

Nicht nur Merrell, auch viele andere Trailrunning- und Outdoor-Marken haben sich während der Pandemie auf digitales Marketing konzentriert, um sich selbst und ihre Geschichten zu präsentieren. Merrell hat beispielsweise in Kooperation mit der Skyrunner World Series 2020 eine virtuelle Laufserie auf die Beine gestellt, bei der Sportler aus 80 Ländern digital teilnahmen. Franziska Freer ergänzt: „Für uns sind unsere Athleten nicht nur Podiumsläufer. Sie repräsentieren unsere Marke online und offline – mit oder ohne Wettkämpfe.“

Seana Forbes, Organisatorin der Skyrunner World Series gibt zu, dass die letzten beiden Jahre für die internationale Rennserie, die normalerweise in mindestens zehn Ländern weltweit stattfindet, besonders schwierig waren. Nachdem die Saison 2020 komplett abgesagt und durch die virtuelle Serie ersetzt wurde, folgte die unplanbare Saison 2021. Insgesamt wurden zwar einige Rennen auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschoben, allerdings nur eines komplett abgesagt. „Es war nicht leicht,“ sagt Forbes. „Wir arbeiten so eng und vertrauensvoll mit unseren Rennveranstaltern zusammen, dass es für uns nie eine Option war, ein Rennen zu streichen oder eine Veranstaltung gegen eine andere zu tauschen. Wenn wir die Skyrunner World Series deshalb 2021 in Ländern ausgetragen haben, die für unsere internationalen Spitzenläufer schwer oder gar nicht zu bereisen waren, dann haben wir das als Chance gesehen, lokale Talente zu entdecken.“

Auch wenn die Teilnehmerzahlen in Vergleich zu 2019 zurückgegangen sind, macht sich Seana Forbes keine Sorgen: „Die Leidenschaft ist die gleiche. Wenn sich die Unsicherheiten gelegt haben, werden wir 2022 hoffentlich wieder all unsere Top-Läufer hinter den Startlinien der Skyrunner World Series rund um den Globus stehen haben.“

blog 4

Das Podium beim Skyrace Hochkönigman im Spätsommer 2021: Platz 1) Denisa Dragomir, Platz 2) Georgia Tindley, Platz 3) Oihana Azkorbebitia. (C) Merrell / Christian Schartner

Ein Blick in die Zukunft des internationalen Trailrunning Rennsports

Alle Beteiligten sind bis in die Fußspitzen motiviert 2022 gestärkt zurückzukehren. Trotzdem wird es wohl einige Veränderungen im Wettkampfsport geben. Bewussteres Reisen, Planen und Vorsicht bei der Entscheidung zu Rennen zu fahren und auch Veranstaltungen zu organisieren, scheinen die neue Norm zu sein. Voraussichtlich wird es noch mehr lokale sowie nationale Wettkämpfe und Rennserien geben, gestückt mit den vielen neuen Trailläufern, die den Sport in den vergangenen beiden Jahren für sich entdeckt haben. Was auch immer geschieht, die Trailrunning Community ist trotz der Auswirkungen, die Covid-19 mit sich brachte, dankbar wieder an der Startlinie stehen zu können.

There are no comments on this post

Be the first to leave a comment!

Your email address will not be published.